Mittwoch, 19. Dezember 2018

Tobias Klich

Tobias hat nicht nur als Komponist an TRAIECT teilgenommen, sondern auch seinen Film „Heimat in sechs Richtungen“ über das Dastgah-Festival aus dem Jahr 2016 gezeigt. Wir haben mit ihm über die verschiedenen Ausdrucksformen der Kunst und natürlich auch über seinen Beitrag bei TRAIECT gesprochen.

Zunächst gehen wir auf die wichtigsten Stationen seines Lebens ein, bei denen er sofort seine Zeit am Musikgymnasium Belvedere in Weimar hervorhebt. Dort begann der gebürtige Jenaer seine ersten Stücke zu schreiben, nachdem er mit acht Jahren begonnen hatte klassische Gitarre zu spielen. Mit 14 Jahren begann er Komponieren intensiv zu lernen. Dem ging eine lange Zeit des Improvisierens auf der Gitarre zuvor und hierbei besonders der Wunsch, die Improvisationen aufzuschreiben. Bereits als Teenager hörte er zeitgenössische Musik. „Das war natürlich an dem Musikgymnasium viel einfacher, da war man mit so etwas nicht der Einzige“, sagt er wenn er an die Zeit zurückdenkt. „Diese Schule war für mich wirklich prägend. An einem anderen Gymnasium hätte ich nicht die Möglichkeit gehabt für ein Orchester zu komponieren.“ Tobias hat dort auch einen Auftrag von der Gedenkstätte Buchenwald bekommen, er sollte ein Gedicht einer ehemaligen Gefangenen vertonen. „Ein weiterer sehr wichtiger Punkt in meinem Leben. Vorher habe ich oftmals für mich und meine Welt komponiert. Als ich das Stück für diese Frau geschrieben habe und sie später sogar auf einer Aufführung dabei war, da habe ich das erste mal intensiv gespürt, welche unglaubliche Möglichkeit diese Form ist um mit Menschen in Berührung zu treten und in Kontakt zu sein. Nicht nur seitdem aber durchaus aufgrund dieser Erfahrung sind Impulse von ‚außerhalb der Musikwelt‘ sehr wichtig für mein Schaffen.“ Inzwischen hat er deshalb auch Stücke zum Thema Psychiatrie und Traumaforschung vertont.
Der Komponist hatte bereits im Dastgah-Festival als Filmemacher aktiv teilgenommen. Seine Rolle als Regisseur hat er vor ein paar Jahren entdeckt: „In Weimar und Bremen habe ich neben der Komposition auch verschiedene Malereiklassen besucht. Das Video bringt die beiden Sphären Musik und Bild zusammen. Grundsätzlich ist es aber auch hier wieder die Verbindung mit anderen Menschen, die ausschlaggebend für dieses Werkzeug war. So ist das in allen meinen Ausdrucksformen.“ Da ihm bereits TRAIECT I und die Workshops gefielen, wollte er bei TRAIECT II teilnehmen. „In Dastgah waren ja ausschließlich iranische Komponisten beteiligt. Obwohl ich in meinem Studium in Bremen schon viel Kontakt mit Iranern hatte, war ich noch nicht iranisch genug dafür“ sagt er lachend. „Wobei das nicht so einfach ist mit den kulturellen Identitäten, die wir alle haben. Mein Film handelt genau über dieses Thema. In TRAIECT war von Anfang an klar, dass das iranische auch ‚mit‘ meine Kultur ist, obwohl es nicht meine Kultur ist. Einfach ausgedrückt: Dass ich eine Verbindung habe.“ Trotz allem ist es das erste Mal, dass er für ein traditionelles asiatisches Instrument schreibt.

Womit wir auch schon mitten im Thema Tradition und Neue Musik sind. Direkt zu Anfang klärt Tobias über die Definition der Begriffe auf: „Das ist die aller schwierigste Frage, von allen Fragen, die Du mir gestellt hast.“ Insbesondere bei dem speziellen Instrument ist es noch mal anders. Im Vergleich zum Tanbur hat z. B. die Gitarre viele Heimstätten. Das Tanbur ist stark mit der Tradition aufgeladen, sie ist zusammen mit der Spiritualität in das Instrument eingeschrieben. „Man kann das Thema bei diesem Projekt nicht ignorieren.“ Das versucht der Komponist über den Titel zu verdeutlichen: Wenn man ihn ‚Verborgenes zeigen‘ liest, dann verweist er auf das Verborgene Potential, das in dem Instrument auch jenseits der Tradition vorhanden ist. Im Falle der Neuen Musik tut sich Tobias ebenso schwer, eine Definition zu finden: Sie ist ebenfalls sehr vielschichtig. Als gemeinsames Element zählen für ihn vor allem die anderen Wahrnehmungsmöglichkeiten, die geringe Kommerzialität, dass es mehr um die Sache und die Ideen geht als um das Geld. „Idealerweise erschafft diese Kunst einen Dialog, einen Austausch zwischen den Beteiligten. Auch für den Austausch der Kulturen ist das Potential in TRAIECT groß.“ Gibt es eine Brücke zwischen den beiden Sphären Tradition und Neue Musik? Am Anfang, so sagt uns der Komponist, hatte er viel mehr Angst vor dieser Mischung. Die Befürchtung hat sich dann aber gelegt, nachdem er das Instrument schlicht erkundet hat. Da er mehrere Ausdrucksformen benutzt, fragen wir noch mal nach dem Besonderen in der Musik: „Die Leute treffen sich in einem Konzert, um eine bestimmte Zeit etwas zusammen zu erleben. Am intensivsten ist das bei gemeinsamer Stille. Denn das ist ein Raum, den es ganz selten in unserer Gesellschaft gibt. Diese geteilte Erfahrung, die Konzentration und die Aufmerksamkeit in dieser Intensität, das sind die Gründe warum ich so gerne damit komponiere.“
Wenn man den Titel auf seine zweite Variante liest, so lautet er ‚verborgenes Zeigen‘, also eine indirekte Art um auf etwas hinzuweisen. Das hat mit dem Iran viel zu tun, denn dort gibt es einige Verbote, die man kreativ umgehen muss. Ebenfalls einer der Gründe, warum Stille in dem Stück eine wichtige Rolle spielt. Außerdem schafft sie Raum, wo eine Begegnung stattfinden kann. Wo eine gemeinsame Stille entsteht, da passiert etwas, da kann auch viel passieren. Und nicht nur Positives. Es geht schließlich auch um die Sensibilisierung der Wahrnehmung, um Raum zu geben in dem man nicht nur einer Flut aus Tönen ausgesetzt ist. Die Elektronik im Stück dient nur der Verstärkung. „Es ist kein gleichberechtigtes Gegenüber. Das Instrument steht definitiv im Vordergrund.“ Welche weiteren Elemente hat Tobias verwandt und welche nicht? „Das Tanbur ist eines der wenigen iranischen Instrumente, die eine gleichstufige Stimmung aufweisen. Mein Anspruch war, dort etwas zu schaffen, ein Tonsystem zu entwickeln das nicht dem entspricht was das Instrument vorgibt.“ Also entwickelte er ein mikrotonales Tonsystem und exponentielle Skalen. Gleichzeitig gibt es aber eine Oktave, die bewusst im Gegensatz zum Rest steht. „Wichtig ist, dass all diese Elemente nicht etwas sind, die gegen das Instrument oder etwas stehen. Es soll vielmehr der Fokus schlicht auf das gelegt werden, was bisher noch nicht hervorgebracht wurde.“ So wird auch der Bereich hinter dem Steg für ein Vibrato verwendet, was normalerweise kein „offizieller Raum“ ist auf dem gespielt wird. Tobias ist auch froh, das Stück schon lange fertig zu haben: Der Spieler muss sein Instrument quasi völlig neu lernen, er braucht viel Zeit zum Üben. „Ich hoffe, das ist der Beginn einer Reihe für nicht-europäische Instrumente. Durch die Beschäftigung mit dem Exotischen wird das Eigene klarer. Das deckt sich mit meiner Überzeugung, dass Kultur eigentlich kulturelle Ressource ist, die allen zur Verfügung steht. Und nicht zuletzt denke ich, das ist auch das Statement dieses Projekts: Ja, man darf auch als Nicht-Iraner Stücke für iranische Instrumente schreiben.“ Wir freuen uns auf die Aufführung und das Entdecken der Aspekte von Verborgenes Zeigen.

Fotocredit © James Chan-A-Sue
















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English version:

Tobias didn't only participate as a composer in TRAIECT II, but did also show his film “Heimat in sechs Richtungen“ (Homeland in six directions) about Dastgah-Festival from 2016. We did talk to him about different kinds of art and of course about his contribution to TRAIECT.

At the beginning we talk about the most important stations of his life. He instantly points out his time at Musikgymnasium Belvedere in Weimar, where the Jena-born began to write his first pieces. After learning classical guitar for eight years, with fourteen he wanted to learn composition more intensively. Before that he had a long period of improvisation on his guitar and the wish to be able to write down what he created. He started to listen to contemporary music as a Teenager. “It was way easier to do so at the Musikgymnasium (musical high school) because I wasn’t the only one who listened to this kind of music. The time at this school was very coining for me. If I had gone to an other high school, I wouldn’t had get the opportunity to compose for an orchestra.” There, Tobias also did get an order to compose for the memorial site of Buchenwald, he was asked to set a poem of a former prisoner into music. “That was another very important point in my life. Before that, I used to write for me and my own world. When I wrote the piece for this woman, especially when she attended the play, I felt for the first time very intensively which incredible opportunity music is to get in contact to other people. Not only since then but heavily influenced by this experience, stimuli from the ‘outside world’, so from the outside of the music world became very important for my writing.” Because of that he did put pieces around the theme of psychiatry and trauma research.
The composer did actively engage in Dastgah-Festival as a filmmaker. His discovered his role as a director a few years ago: “In Weimar and Bremen I did attend painting classes besides my composition. The format of video connects the two spheres picture and music. Over all the most important part again is the connection to other people for me to choose this tool. That is the case for all my ways of expression.” He liked the workshop-character of TRAIECT I and because of that wanted to be part of TRAIECT II. “In Dastgah, only iranian composers were part of the team. And although I did had a lot of contact with iranians in Bremen, I wasn’t iranian enough to compose for this festival”, he says laughing. “Whereby it is not so easy with the cultural identities which we all have. My movie is exactly about this point. In TRAIECT it was clear from the beginning that the iranian culture is also part of ‘my’ culture, although it is not my culture. To put it in a more easy way: That I have a connection.” Still it is the first time for him to write for a traditional asian instrument.

With this we are in the middle of the theme of tradition and contemporary music. Tobias starts to explain the definitions of the terms: “That is the most difficult question of all questions you asked.” Especially when it comes to the special instrument which is the tanbur, things are even more different. For example the guitar has a lot of different ‘homelands’. The tanbur is very strong bound to the tradition, the spirituality is written into the instrument. “One simply can’t ignore this theme in this project.” The composer tries to express this in the title: Verborgenes zeigen (hidden pointing) means on the one hand that there is a lot of hidden potential in the instrument apart from tradition which the piece points out. Tobias also has a hard time to find a definition for contemporary music: Like tradition it is very complex. As a common element he points out the different ways of becoming aware of things, the non-commercial character which is more focused on the subject and the idea than on money. “In an ideal case, this art creates a dialogue, an exchange between the participants. Also for the exchange between the cultures, TRAIECT has a lot of potential.” Is there a bridge between the spheres of tradition and contemporary music? At the beginning, Tobias tells us, he had a lot of fear concerning this mix. The fear faded as he began to explore the instrument. Because he is capable of using different ways of expressing himself, we ask him about the special moment in music: “The people gather in a concert, to experience something together in a specific frame of time. It gets the most intensive when silence is shared. Because that is a room barely shared in society. This shared experience, the concentration and the awareness at this level of intensity, are reasons why I like to use silence a lot in my compositions.”
If the title is read from another point of view, ‘hidden Pointing’ can also mean that the pointing is done in an indirect, discrete manner. This has a lot to do with iran, because there are a lot of prohibitions, which have to be circumvented in a creative way. Which is also one of the reasons why silence plays a huge role in the piece. On top of that it creates a room for an encounter. When there is common shared silence, something is happening, a lot of things can happen. And not only positive things. It is about the sensitization of awareness, to give room and not being confronted with a flood of different notes. The electronics in the piece are just a tool for amplification. “It is not a meeting on an equal level. The instrument is in the focus.” Which elements did Tobias use apart from the mentioned ones? “The tanbur is one of the few iranian instruments which uses an equal-tempered mood. My aspiration was to create something, a tone system that is not responding to the instrument. So he created a microtonal system and exponential scales. At the same time there is an octave, which is placed explicitly as an opposite. “It is important to me that these elements aren’t things that are explicitly against the instrument or something. The focus should much rather be on the aspects which have not been pointed out before.” In this way the area behind the bridge is used for a vibrato. Usually this area isn’t an ‘official room’ for playing. Tobias is happy that he finished the piece long ago: The player has to learn his instrument quasi from scratch, he needs a lot of time for practice. “I hope that this is the beginning of a series for non-european instruments. When handling exotic things, the own perspective gets clearer. This coincides with my conviction, that culture in reality is much rather cultural resource which is open to everyone. And I think that this is also the statement of this project: Yes, you are allowed to write pieces for iranian instruments also as a non-iranian person.” We are happy to listen to his writings and the discovery of Hidden Pointing.

Mittwoch, 14. November 2018

Arsalan Abedian

In TRAIECT II schreiben Komponistinnen und Komponisten unterschiedlicher Nationen Stücke für Tanbur und Oud. Arsalan kommt ursprünglich aus dem Iran, lebt aber bereits seit 2012 in Deutschland. Wir haben ihn zum Projekt interviewt.

Die ersten Studien begann er in Teheran, das er mit einem Masterabschluss in Komposition beendete. Seine ersten musikalischen Berührungspunkte hatte er mit dem Santur. „An der Universität habe ich dann bemerkt, dass ich auch komponieren, also etwas Schöpfen möchte. Das Studium im Iran ist sehr konventionell, man lernt die klassische Harmonielehre und dergleichen.“ Daher entschloss sich der Komponist, in Deutschland ein weiteres Studium zu absolvieren. Neben der Soloklasse Komposition hat er auch einen Abschluss in elektronischer Musik. Auf die Frage, wann er denn begonnen hat, zeitgenössische Stücke zu schreiben antwortet Arsalan: „Der Zeitpunkt ist schwierig zu bestimmen. Ein zeitgenössischer Mensch macht eben zeitgenössische Sachen. Das kann man nicht trennen. Daher sage ich, das Zeitgenössische war immer mit dabei.“
Der Komponist ist ein Freund des TRAIECT Kurators Joachim Heintz. Sie haben sich auf einer Csound Workshop in Teheran kennen gelernt und danach hat Arsalan bei ihm in Hannover Kompositionsunterricht bekommen. Gemeinsam waren sie am Dastgah-Festival in Hannover beteiligt, bei dem der Komponist schon mit dem jetzigen Projekt vergleichbare Erfahrungen gesammelt hat was die Zusammenarbeit zwischen Instrumentalist und Komponist angeht. Bei TRAIECT möchte Arsalan vor allem sehen, wie ein traditionelles Instrument im Kontext der Neuen Musik wirken werden. „Ich habe ja selbst mit dem Santur angefangen. Das ist auch ein traditionelles persisches Instrument. Mein Studium der elektronischen Musik ergänzt sich damit in diesem Projekt.“ Daher will er auch die Kopplung zwischen der Elektronik und der Oud in den Fokus rücken. Der Titel seines Werkes heißt folglich ouDDuo, da Oud rückwärts Duo heißt und die beiden Elemente Oud und Elektronik auch genau als ein solches agieren werden. Insbesondere freut ihn die Arbeit mit den Musikern: „Einige Instrumentalisten interessieren sich für bestimmte Techniken und Klänge, auf die der Komponist eingehen kann. Für mich ist es wichtig zu wissen, dass der Instrumentalist bei der Aufführung auch Spaß hat, sich selbst präsentieren und ausdrücken kann. Das ist entscheidend für die Aufführung. Dabei hilft mir die traditionelle persische Musik, denn dort ist nicht immer alles notiert, es entstehen Räume für Improvisation. So fordere ich auch die Spielerin und bin eher Beobachter davon, wohin sie geht, also ob sie eher einen traditionellen oder einen experimentellen Weg nimmt.“
Wir fragen Arsalan weiter zu dem Verhältnis von Tradition und Neuer Musik. Letztere ist für ihn etwas, das er nicht einfach hören und weglegen und worüber er nachdenken kann. Außerdem stellt sich für ihn beim oder nach dem Hören oft die Fragen ‚was ist passiert?‘, ‚wie war es?‘, ‚wie war die Musik gedacht?‘ . Es ist keine Musik nur für zum Fühlen sondern auch eine Quelle für Gedanken. Sie öffnet einige unbekannte Perspektiven, die man vorher vielleicht gar nicht betrachtet hat. „Gesellschaftlich betrachtet ist es nicht so einfach zu bestimmen, welche Rolle die Neue Musik hat. Denn wir leben in einer vielschichtigen Gesellschaft. Insofern ist diese Musik etwas für Menschen, die bereit sind etwas zu entdecken.“ Auf die Frage, ob er mit einem Auftrag an die Öffentlichkeit komponiert antwortet Arsalan: „Ich sehe es nicht so, dass ich eine Aussage habe, der alle zuhören müssen. Es ist besser, wenn alle Optionen offen stehen. Allerdings will ich durchaus zeigen, dass es sich manchmal lohnt, genauer hinzuhören um ein anderes Hören zu ermöglichen. Damit man die Kategorien ‚schön‘ und ‚schlecht‘ auch mal in Frage stellt. Etwa so wie Hunde, die das Gehörte nicht analysieren und sagen ‚das war gut, das andere schlecht‘. Sondern ein Zuhören mit dem Interesse daran, was gespielt wird.“ Die Tradition sieht der Komponist als etwas, mit dem man aufgewachsen ist und das man unbewusst lernt. Sie birgt eine Gewohnheit in sich. Der Gegensatz, den das Projekt zwischen den beiden Sphären eröffnet ist keine Trennung sondern gerade weil er existiert eine Verbindung. „Es gibt so viele Aspekte in der Tradition, die man aus der eben erwähnten Gewohnheit gar nicht mehr klar betrachten kann. Genau auf diese kann Neue Musik ein Licht werfen.“
Der Komponist verarbeitet das in seinem Stück mit dem schon erwähnten Duo aus Oud und Elektronik. Die Note ‚D‘, die im Namen so prominent ist, spielt auch eine wichtige Rolle. Bewusst setzt er ein Spiel aus festen und freien Blöcken, die wie Tradition und Neue Musik miteinander interagieren. Dabei können die Teile der Elektronik und des Instruments entweder fix oder frei sein, ebenso wie alle möglichen Kombinationen die sich daraus ergeben. Andere Abschnitte sind eher solistisch. Währenddessen verändert sich der Ton beständig und macht eine Art Reise, bis er wieder zur Quelle zurückkehrt. Das ist auch Teil des ‚Duo‘ Aspekts. „Es ist wie eine Art Bumerang-Bewegung. Die Elektronik und die Oud sind klanglich auch nicht sehr unterschiedlich, es sind durchaus Oud-Klänge in der Elektronik dabei. Sie musizieren eben gemeinsam.“ Ein weiterer Punkt wird die Selbstthematisierung des Komponierens sein. Der Ablauf des Stücks spiegelt eine Art Probesituation. Das wird auch die Grenze zwischen Probe und Aufführung etwas vermischen. Wir freuen uns auf diese Mischung und wünschen jetzt erst mal noch ein gutes Proben.

















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English version:

In TRAIECT II a lot of composers from different nations write pieces for tanbur and oud. Arsalan originally comes from Iran but lives in Germany since 2012. We had an interview with him about the project.

He made his first studies in Tehran, which he concluded with a masters degree in composition. His first experiences in music were with the santur. “When I was at university I recognised that I want to compose, to create something. Studies in Iran are very conventional, you learn about harmonies and a lot.” That’s why the composer decided to pursue further studies in Germany. Besides the solo class in composition he also holds a degree in electronic music. When asked about the time where he began to write contemporary pieces he answers: “The certain point is hard to find. A contemporary person makes contemporary stuff. You can’t separate this. That’s why I say that the contemporary spirit was always present.”
The composer is a friend of TRAIECT curator Joachim Heintz. They get to know each other on a Csound workshop in Tehran and after that Arsalan took lessons in composition by Joachim in Hanover. They both did already participate in Dastgah-festival in Hanover, where the composer did collect some experiences regarding the cooperation of an instrumentalist and a composer. In TRAIECT Arsalan wants to know how a traditional instrument will work with New Music. “I did start with santur myself which is a traditional persian instrument. My studies on electronic music fit perfectly with this in this project.” Therefore he wants to focus on the connection between the electronics and the oud. The title of his work is as a consequence ouDDuo, because oud backwards is duo and the elements oud and electronics are going to cooperate as a duo. He is happy to work together with the musicians: “Some instrumentalists are interested in specific techniques and sounds, which can be material for the composer. For me it is important that the instrumentalist enjoys the play, that she can present herself and her expression. That is crucial for the play. Traditional persian music helps me in this point because there not everything is written down. That creates frames in which improvisation can happen. On this way I challenge the player and witness which way she decides for: If she chooses a more traditional or a more experimental path.”
We ask Arsalan about the relationship between tradition and New Music. The latter one is something for him that he cant easily listen to and afterwards put aside. It is something he can think about, like questioning ‘what did happen?’, ‘how was the experience?’, ‘which meaning did the music have?’. So it is not just a music to feel but also a source for thoughts. It opens some unknown perspectives which were not of importance before. “When we speak about society, the role of New Music is not so easy to determine. Because we live in a complex society. Thus this music is for persons who are willing to discover something.” We ask him if his compositions are part of a mission with which he approaches the public sphere: “I don’t see it like this. I don’t have a message which everyone needs to hear. It is better when there are more options. But I want to show that it sometimes is of value to listen closely and get another experience in listening. So that categories like ‘beautiful’ and ‘bad’ get questioned. I like to compare it to dogs which do not analyse what they hear and say ‘that was good, the other impression was bad’. To get to a mode of listening in which one is actually interested in what is heard.” This leads us to tradition. For Arsalan it is something that one grew up with and which is learned unconsciously. It creates a habit. The contrast which is opened by TRAIECT between tradition and New Music is not a separation but a connection. “There are so many aspects in tradition which you are used to, so that you don’t hear them clearly any more. Exactly at this point New Music can help to create a new perspective.”
The composer uses this in his piece as mentioned above by letting the oud and the electronics play as a duo. The note “d”, which is prominent in the title, plays an important role in the piece as well. He puts in a play between free and fixed blocks in his score which interact with each other like tradition and New Music. With it parts of the electronics or the instrument can be fixed or free, as all possible combinations that emerge from the four factors. Other parts contain more solos. During these, the note played goes on a journey and changes until it returns to its origin. This is also part of the ‘duo’ idea. “It is like a boomerang-movement. The electronics and the oud are not so different in terms of sound, there are oud-sounds played by the electronics as well. The two play together.” Another aspect is going to be the self-portrayal of the act of composing. The course of the piece mirrors some kind of rehearsal situation. It will blur the border between rehearsal and play so some extent. We are looking forward for this mix and wish the best for the rehearsals for now.

Donnerstag, 8. November 2018

Afshin Motlagfard

Etwa eintausend Kilometer von Teheran entfernt, in Schiras lebt Afshin Motlagfard, ein Komponist für TRAIECT II. Wir haben ein Interview mit ihm geführt über seine Herangehensweise an das von ihm komponierte Stück. Das ist schnell in ein Gespräch über die Kernprinzipien der Existenz übergegangen.

Leider wird Afshin nicht im Hannover sein, wenn sein Stück uraufgeführt wird, so sagt er uns zu Beginn. Er wird also kein Augenzeuge sein, wenn sein Experiment vorgetragen wird. Bevor wir aber dazu kommen haben wir uns mit ihm über seinen Werdegang unterhalten.
Afshin hat im Iran für fünf Jahre Musiktheorie von Ali Radman gelernt. Anschließend belegte er eine fortgeschrittene Kompositions-Klasse bei Mehdi Kazerouni. Sein erster, ursprünglicher Fokus für das Komponieren begann mit der Musik des 20. und 21. Jahrhunderts, mit Komponisten wie Harry Partch. „Die Klänge waren eine Welt für sich. Man kann keine Strukturen suchen, die die Melodie formen und keine Aspekte finden, die sich selbst in Relation zur Melodie formen“, erklärt er und wenn er sein ursprüngliches Interesse an der Neuen Musik begründet. Dennoch lernte er nach dem erfolgreichen Erlernen dieses Genres in einem weiteren Studium die Strukturen älterer Musik kennen, inklusive Harmonielehre, Kontrapunkt und anderer Grundlagen. Warum ist er auf diese Art und Weise den Weg gegangen? „Ich bin die Art von Person, die die Dinge genau anders herum angeht als die meisten anderen Leute. Ich bin schnell ermüdet von Dingen die ich für eine längere Zeit mache. Ich versuche mich beständig zu rekonstruieren innerhalb meines Lebens.“

Das führt uns zu einem weiteren Punkt seiner kreativen Arbeit, der Motivation hinter seinem Schaffen. Afshin erklärt, dass er versucht zu verstehen, wie die Welt um ihn herum funktioniert. Durch das Erweitern seiner Limits und Grenzen lernt er mehr über eben diese Grenzen, die die Dinge formen. Dafür nutzt er die Musik. Der Komponist erklärt, dass es einen Satz gibt, der sein Schaffen entscheidend geprägt hat. Er stammt von Herbert Read: „‘Jede Kunst versucht an die Musik zu gereichen.‘ Alle anderen Künste versuchen also, die Abstraktion der Musik als Quelle zu erreichen. Für mich ist Musik Leben. Man lebt, während man komponiert und man komponiert während man lebt. Meine Musik expandiert, weil ich die Grenzen meines Wissens expandiere.“ Momentan ist er insbesondere am Phänomen der Zeit interessiert. Die Musik hilft ihm dabei, diesen Gegenstand besser zu verstehen, da sie selbst ein Produkt der Zeit ist. „Musik lässt einen Zeit wahrnehmen. Aber diese Erfahrung hängt vom Zuhörer ab, wie er zum Beispiel drei Minuten erlebt. Das Erleben hängt an der Kultur, der Stimmung, wie die Klänge geformt werden und vielen anderen Faktoren. Ich versuche es als eine Entität zu verstehen, die die Musik formt.“ Dabei übt er sich auch darin, die Bedeutungen zu eliminieren die an ein Phänomen geheftet sind. Dieser Schritt ist nötig, um den Kern der Sache zu begreifen. Ein Beispiel dafür ist der Tastsinn. Afshin erklärt es uns wie folgt: „Wenn Dich jemand auf der dunklen Straße berührt, erschrickst Du. Wenn Dich ein lieber Freund berührt, hat es eine andere Bedeutung, dann hast Du vielleicht ein warmes, geborgenes Gefühl. Aber die Berührung als Vorgang, die bleibt die gleiche. Was ich versuche ist, die Konzepte der Erfahrungen abzutrennen. Ich möchte sehen was übrig bleibt, wenn man den Sinn verwirft. Meine Frage an dieser Stelle ist: Wie kann ich ein weiteres Level des Sinns erreichen? Gibt es eine Stufe darüber?“ Das ist auch, warum er sich dem Konzept der Tradition nicht verbunden fühlt: Wenn der Sinn einer Sache verworfen wird, dann bleibt das auch fern einer Rekonstruktion der Tradition. Es ist schlicht nicht von Bedeutung. Dennoch ist er interessiert was ihm die Tradition geben könnte und wie er sie nutzen kann um sie für seine Zwecke einzuspannen. „Ich bin mir bewusst, dass die Oud einen großen traditionellen Hintergrund hat. Also habe ich mir das Instrument angesehen und versucht seine Essenz sowie den Klang, den es erzeugen kann zu begreifen. Dadurch ist es nicht besonders traditionell. Es ist nicht meine Aufgabe die Tradition zu reproduzieren, die vor mit existiert hat. Ich konzentriere mich darauf, mich selbst zu verstehen.“

Er entschied sich dafür, Raum durch verschiedene Aspekte des Klangs zu konstruieren. In diesem speziellen Stück ist es ein Tremolo, das das gesamte Stück formt. Die Oud und die vier Lautsprecher sind nicht getrennt. Die Elemente sollen sich in sich selbst auflösen, sodass es keinen erkennbaren Unterschied mehr gibt. „Ich möchte begreifen, was dem Menschen die Menschlichkeit gibt. Und was ihn von einem Computer unterscheidet. Die Grenze zwischen dem Spieler und der Elektronik sind daher sehr interessant für mich.“ Insgesamt hat Afshin das Stück sehr logisch und berechnend konstruiert. Die Längen der Abschnitte sind geplant. Dennoch denkt er dass die Antworten, die durch das Stück gegeben werden eher verschwommen sind. „Es wird sich wohl anhören wie ein langes Tremolo für vier Lautsprecher und einen Spieler. Die Dinge, die dort erschaffen werden sind Entitäten, die vorgetragen oder gehört werden können, ohne dass die Idee, die sie erschaffen hat besonders betont werden muss.“ Daher kann es sein dass die Intention dahinter verborgen bleibt. Für Afshin ist das kein Problem. Er erklärt dass er, als er das erste mal Xenakis hörte, ebenfalls keine Vorstellung davon hatte was der Komponist in das Werk eingebracht hatte. Es war für Afshin schlicht die Musik, die ihn faszinierte. Sein Stück dreht sich daher vor allem um den Klang. Es steht außerdem in einer größeren, kontinuierlichen Linie von Werken, die sich mit dem Konzept der Zeit beschäftigen. Das Projekt, zu dem er von Arsalan Abedian eingeführt wurde ist das zweite internationale seiner Karriere. Wir wünschen ihm viel Erfolg bei der Arbeit an seiner Reihe und sind gespannt wie sich das Stück anhören und welche Erkenntnisse es uns bringen wird.














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English version:

Afshin Motlaghfard: Oud

About a thousand kilometers from Tehran, in the city of Shiraz lives Afshin Motlaghfard, a composer for TRAIECT II. We did interview him on his approach to the piece he writes for the project and quickly turned towards a chat about the core principles of existence.

Unfortunately Afshin is not going to be in Hanover when his piece will be staged, he tells us at the beginning. So he won’t be a live witness when his experiment will take place. Before we come to the piece, we talked about his origins.
Afshin studied music theory in Iran from his teacher Ali Radman for five years. He then took an advanced composition class for two years at Mehdi Kazerouni. His initial interest in composing started with music from the 20th and 21st century with composers like Harry Partch. “The sounds were a world for their own. You cannot search for structures which form the melody and the aspects that shape themselves in relation to this phenomena”, he tells us when he describes why his interest in contemporary music started. However, after his studies on this genre he started to learn older music, harmony teachings, counterpoint and other basics. Why did he chose it this way around? “I am a kind of person who does the things the other way around than the most people. I get tired of things that I make for a long time. I am constantly trying to reconstruct myself in my lifetime.”

That leads us to another aspect of his creative work, the purpose and motivation behind it. Afshin says that he tries to understand how the world around him works. By expanding his limitations and borders he learns more about the borders that shape everything. For this he chooses to view it through music. The composer explains that there was a very coining sentence for his life, written by Herbert Read: “‘Every art tries to reach itself to music.’ All other arts try to reach for the abstraction of music as a source. Music is life for me. You live as you compose and you compose as you live. My music is expanding because I am expanding the borders of my knowledge.” Right at the moment he is especially interested in the concept of time. Music helps him to understand it better because it is a product of time. “Music lets you experience it. But it depends in the listener how he will, for example, experience three minutes. It depends on the culture, on the mood, on how these sounds have been shaped and a lot of other factors. I try to apprehend it as an entity that shapes the music.” By that he also tries to eliminate the meanings that are attached to a phenomena, to comprehend the core of the phenomena itself. An example for this is the sense of touching: “When someone on a dark street touches you, you get afraid. If a dear friend touches you it has another meaning, you may get a warm and welcome feeling. But the touching itself is similar. What I am trying to eliminate are the concepts of experiences and see what is remaining. When I compose music, I want to see what remains after I eliminated the meaning. My question here is: How can I reach another level of meaning? Is there another layer above it?” This is why he also does not relate to the concept of tradition: By eliminating meaning he also stays away from reconstructing tradition. It is not of importance. Still, he is interested in what the tradition gives him and how he can manage to reform it for the purpose he pursues. “I am aware that the oud has a lot of traditional background. So I looked into this instrument and tried to understand its essence and the sound that it can create. Therefore it is not very traditional. It is not my concern to reproduce the tradition that has existed before me, I concentrate on understanding myself.”

He did chose to construct space with different aspects of sound. In this particular case it is a tremolo which shapes the whole piece. The oud and the speakers are not divided. The elements should dissolve in themselves, so that there is no distinction. “I want to grasp what gives a human humanity. And what differentiates it from a computer. The border between the performer and the electronics are especially interesting for me.” Overall Afshin did construct the piece very logical and calculated a lot of the duration of the different parts. Still he thinks that the answer gained by listening to the piece will be rather blurry. “It will be heard as a large tremolo for four speaker and a performer. The things that are created are some entities that can be performed or heard without the emphasis on the idea that has created it.” So the intention behind it might remain hidden. For Afshin this is not an issue. He explains that when he first listened to Xenakis he didn’t know about the ideas the composer had done in his work. It was the music that fascinated him in the first place. His piece is all about sounds. The piece for the project, to which he was introduced by Arsalan Abedian, stands in a bigger, continuous line of understanding the concept of time. In terms of international projects this is his second one. We wish him good luck on working on his series and are curious what the piece will sound like and reveal for every one of us.

Montag, 5. November 2018

Ali Radman

Der iranische Komponist Ali Radman wird ebenfalls ein Stück für die Oud in TRAIECT II schreiben. In einem schriftlichen Interview erzählt er uns ausführlich über seinen Werdegang und die Perspektiven auf das Projekt.

Welche Ausbildung hast Du absolviert?
Ich habe vor der Grundschule begonnen, Musik von meinem Vater zu lernen. Mein Vater Mohammad Hassan Radman war ein Violinspieler und Lehrer an einer Musikschule.
Ich habe dann meine Kenntnisse von grundlegenden Elementen der Musik verbessert, wie dem Klavierspiel, der Theorie von iranischer Musik und dem Erkennen der iranischen Spielarten wie Repertoires im Konservatorium. Außerdem habe ich meinen Bachelor in Elektroingenieurswesen an der Universität Kerman beendet. 1990, also mit 18 Jahren war ich Mitglied der UNIMA als Komponist. Fünf Jahre später wurde ich als Bachelorstudent der Musik an der Fakultät der Künste an der Universität Teheran aufgenommen.
Während des Bachelors lernte ich Komponieren von Alireza Mashayekhi und iranische Musik (für das Santoor) von Majid Kiani. Klavierspielen habe ich von Raphael Minastanian gelernt. Darüber hinaus habe ich Dirigieren bei Edo Miĉiĉ, Dr. Manouchehr Sahbaei und Iraj Sahbaei gelernt. Nach dem Bachelor habe ich den ersten Platz für das Master Examen bekommen und den Master an der Kunstuniversität für Komposition begonnen. Dort habe ich unter anderem von Olena Dyachkova, Talib Shahidi, Ahmad Pejman, Hossein Dehlavi und Shahrokh Khajeh Noori gelernt. 2008 habe ich meinen Doktortitel in Komposition von der A. W. U. erhalten.

Wie alt bist Du und welche Situationen sind für Dein Leben besonders prägend gewesen?
Ich bin am 20. Juni 1973 in Teheran geboren. Die Tatsache, dass mein Vater Musiker war sowie sein das Training, das ich schon früh begonnen hatte waren Schlüsselstationen in meinem Leben als Künstler. Mein Vater war die erste und stärkste Inspiration in meinem Leben.

Wann hast Du Deine Leidenschaft fürs Komponieren entdeckt?
Als ich Kind war konnte ich bereits einige iranische musikalische Phrasen erkennen und imitieren. Dabei wurde ich definitiv von meinem Vater inspiriert, er spielte für gewöhnlich iranische Violinstücke. Ich habe mich sehr für Orchestermusik interessiert und bereits vor der Grundschule die ersten Stücke komponiert, die auf einfachen Gedichten und Texten basierten. Nach dem Abschluss des Elektroingenieurs von der Universität Kerman habe ich mich entschlossen, meine musikalischen Fähigkeiten an der Fakultät der Künste der Universität Teheran zu lernen.

Was hat Dich daran fasziniert?
Die Effekte der für die persische Musik spezifischen Intervalle und die Improvisationen, die damit einhergehen.

Was ist für Dich als Komponist in der Neuen Musik interessant? Wie bist Du zu diesem Genre gekommen?
Ich denke eines der interessantesten Elemente der zeitgenössischen Musik ist „Zeit“. Dieser Gegenstand war zu allen Zeiten ein komplexer und differenzierter Umstand in der Musik. Ein anderer Gegenstand ist „Ästhetik“ und dessen Entwicklung über die Zeit. Die verschiedenen Herangehensweisen der Neuen Musik, die Einstellungen und die neuen musikalischen Techniken können neue und einzigartige Wege zeigen um neue Ausdrucksformen zu finden.
Tatsächlich denke ich dass eine Entwicklung in diesem Feld der Kunst auf den unterschiedlichen Erfahrungen basiert.

Hast Du für andere Genres komponiert oder hattest Du Kontakt mit anderer Musik vorher? Wenn ja welche?
Ja, ich hatte davor einige Kompositionen mit iranischer Orchestermusik, Filmmusik und Kompositionen die auf iranischer Literatur basierten.

Was war der Grund für Dich, in TRAIECT teilzunehmen? Kanntest Du das Projekt davor?
Über Social Media und meine Freunde habe ich über die vorhergehenden Konzerte und Projekte erfahren. Ich möchte an TRAIECT teilnehmen, um neue Erfahrungen mit den anderen Musikern und Komponisten auszutauschen. Das ist mir sehr wichtig.

Was ist Dein persönliches Interesse an dem Projekt?
Um neue Erfahrungen mit der Komposition für die Techniken der Oud und der Elektronik zu haben, um den künstlerischen Geschmack der anderen Komponisten und Kulturen zu erhalten und schließlich um mit großartigen Musikern und großartiger Technik in einer exzellenten Konzerthalle aufzutreten.

Was erwartest Du in TRAIECT zu finden?Ich bin gespannt darauf, neue Einstellungen und neue Strukturen im Komponieren zu finden.

Hast Du schon einmal an einem ähnlichen Experiment gearbeitet? Wenn ja, welches war das und wie war Deine Erfahrung?
2016 habe ich einen gemeinsamen Workshop im Royal Conservatoire von Antwerpen mit dem Thema „Modelle polyphoner Texturen in der iranischen Musik“ gehalten. Außerdem hatte ich eine Aufführung meiner Musik beim Boznar Festival in Belgien.
Als Komponist und Dirigent habe ich einige Projekte mit dem Contemporary Music Researches Center der Fakultät der Künste der Universität Teheran sowie dem Institut für Musik an der Universität Schiras.

Was ist zeitgenössische Musik für Dich? Wie würdest Du es definieren?Ich denke, dass es für viele Musiker schwierig ist, dem Begriff eine Definition zu geben. Zeitgenössische Musik ist so umfassend. Die Definition hängt von historischen Begebenheiten in jeder Kultur und jedem Land ab. In der zeitgenössischen Musik werde ich manchmal von einer großen Auswahl an Künsten beeinflusst, neuen musikalischen Texturen, Entwicklungen von Klangfarben der Instrumente (besonders der iranischen), wissenschaftliche und technologische Entwicklungen, Literatur und Philosophie.

Welche Rolle hat die zeitgenössische Musik in der Gesellschaft Deiner Meinung nach?
Sie wird oft mit vielen Herausforderungen konfrontiert, die von den Leuten und den Zuhörern kommen und ich denke eine der Verantwortungen als Künstler und Komponist ist es, diese Herausforderungen anzugehen.

Was möchtest Du als Komponist ausdrücken, was erreichen?Ich möchte wirklich eine reine persönliche musikalische Interpretation erreichen, immer mehr….

Das Projekt enthält traditionelle Instrumente und Elektronik. Was ist Tradition für Dich? Wie würdest Du sie beschreiben?
Tradition ist eine Sammlung von Informationen, Umständen, Kunst und Religionen die mündlich von Vater zu Sohn oder von den Vorfahren zur Nachwelt gegeben wird.

Die Komponisten werden etwas völlig Neues für dieses traditionelle Instrument erschaffen. Siehst Du einen Graben zwischen der Tradition und neuen Wegen der Komposition? Wenn ja, welchen Effekt haben diese?
Meiner Ansicht nach, also als Komponist, sind moderne und traditionelle Einstellungen nur verknüpft zu den Herangehensweisen der Künstler oder Komponisten. Der Graben zwischen der Tradition und den neuen Herangehensweisen kann verändert werden, je nach Bedarf und den künstlerischen Ausrichtungen des Komponisten.

Gibt es eine Möglichkeit, die beiden Sphären zu überbrücken? Wenn ja wie, wenn nein wo denkst Du ist das nicht möglich?

Ja, vor allem denke ich, dass wir dafür zunächst genug Wissen und Kontrolle über traditionelle Inhalte und Formen sowie praktische Erfahrungen mit zeitgenössischer Kunst haben müssen. So können wir tatsächlich einige traditionelle musikalische Elemente behalten und sie oder Abschnitte daraus in die neuen Strukturen, Konzepte oder zeitgenössischen Herangehensweisen einbauen.

Welche Elemente werden in Deinem Stück vorkommen? Welchen Zweck haben sie? Was ist die Priorität im Stück?

Ich habe mir die Geschichte der Oud im Hinblick auf Klangfarben und die Entwicklung der Techniken angesehen, insbesondere der Barbat oder persischen Oud, der arabischen und der türkischen Oud. Das Tück ist eine Geschichte mit dem Namen „in search of lost memory“ (dt.: auf der Suche nach der verlorenen Erinnerung). Diese Geschichte zeigt die tragische Entwicklung der Oud im Iran nach den Kriegen (dem Krieg mit den Türken, Arabern und Mongolen) über die letzten tausend Jahre, die das Schicksal der Oud verändert haben. Ich habe persische Texte verwendet und eine Reihe von kombinierten Stimmen in elektronischen Spuren erschaffen, die von türkischen und arabischen Phonemen inspiriert wurden. Außerdem habe ich einige Phrasen aus einem Gedicht von Akhavan Sales (ein bekannter iranischer Poet (1929-1990)) verwendet. In diesem Stück liegt die Priorität in einer Verhandlung zwischen zwei Konzepten.
Das sind die Benutzung neuen Klangfarben der persischen Oud und Improvisationen, die auf iranischen Stimmungen und anderen Phänomenen beruhen, die aus der iranischen Literatur und verschiedenen musikalischen Kulturen extrahiert wurden. Sie werden durch elektronische Signale und durch die Oud-Spielerin repräsentiert und basieren auf verschiedenen Funktionen der Oud in der Welt der Musik.

Hast Du Dein Stück schon geschrieben?
Ja.

Welche Elemente des Instruments und der Elektronik hast Du Dir herausgesucht? Was willst Du damit herausfinden und ausdrücken? Hast Du nach einem bestimmten Klang gesucht und wenn ja welchem?

Ich habe mir die Techniken der türkischen und der arabischen Oud angesehen und eine Mischen aus diesen in den elektronischen Spuren gemacht.

Was möchtest Du in Deinem Werk in den Vordergrund stellen? Verfolgst Du einen speziellen Sound oder eine Botschaft oder etwas anderes, dass Du entdecken und zeigen möchtest?
Ja, ich würde wirklich gerne einen speziellen gemischten Sound zeigen (spezielle Oud-Techniken und Stimmen und elektronische Klänge). Dazu eine akustische Diskussion zwischen der künstlerischen modalen Improvisation, den Klangfarben der Phoneme (die Stimme der Spielerin und den elektronischen Klängen).

Gibt es weitere Kompositionen von Dir oder jemandem, an die Du mit Deinem Stück anknüpfst?
Darüber bin ich mir nicht sicher.

Gibt es weitere Phänomene dieser Welt, die Du in Deinem Stück verarbeitest?
Ja… vermutlich.

Hast Du eine Idee oder einen Wunsch, den Du in Deiner Komposition ausdrücken willst? Wenn ja, welcher ist das?
Ich möchte die Möglichkeit nutzen meine Ideen basierend auf anderen Funktionen der persischen Musik in der zeitgenössischen Musik aufzuführen. Dazu zählen: Die Erkundung von Kombinationen von Klangfarben der iranischen Folk Instrumente inspiriert von verschiedenen Formen der Improvisation und der Elektronik.

Gibt es Geräusche und Klänge, die Du entdecken möchtest?
Ja, auf jeden Fall.

Welche Herausforderungen siehst Du im Projekt, die Du meistern möchtest?
Das weiß ich tatsächlich noch nicht genau.

Gibt es andere Phänomene in dieser Welt, die Du in dem Stück zur Sprache kommen lassen willst?
Eine Aufführung, die auf meinem Stück basiert. Die Aufführung und das Komponieren das auf neuen Einstellungen gegenüber der iranischen Folk Musik basiert. Wie etwa: Eine Performance die auf der Komposition von Folk Instrumenten und den elektronischen Klängen basiert.

Gibt es noch etwas, das Du uns sagen möchtest über das Projekt oder Deine Komposition? Gibt es noch eine Frage, die Du unbedingt beantworten möchtest? Hast Du weitere Kommentare?
Ich möchte gerne über meine Erfahrungen die ich hier sammle nach dem Projekt sprechen. Danke für Deine Zeit und die Fragen.



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English version:

What is your educational background?
I began to learn music before primary school under my father’s training. My father Mohammad Hassan Radman was a violinist and a teacher of music school.
I was improving my knowledge of basic elements of music, piano playing, theory of Iranian music and Cognition of the Iranian Modes and repertoires of Iranian traditional music under the conservatory teacher’s supervision and meanwhile I finished my bachelor in the field of Electronic Engineering in Kerman University. In 1990, in the age of 18, I was a member of UNIMA as a composer. In 1995 I was accepted as a bachelor student in the field of music at the faculty of Fine Arts in Tehran University.
During my bachelor I had been trained in composition by Alireza Mashayekhi, Iranian music (Santoor repertoire) by Majid Kiani, and techniques of piano playing by Raphael Minaskanian. I also learnt orchestra conducting by Edo Miĉiĉ, Dr. Manouchehr Sahbaei and Iraj Sahbaei. After my bachelor graduation I got the first rank in entrance master exam and I started my master in the field of Musical Composition in Art University. In this section, I enjoyed having experiences with other professors such as Olena Dyachkova, Talib Shahidi, Ahmad Pejman, Hossein Dehlavi, Shahrokh Khajeh Noori.
I obtained my doctorate degree in music‐composition from A.W.U. in 2008.

How old are you and what situations coined your life, so that you decided to become a composer?
I was born on 20th June, 1973 in Tehran.
The presence of my father as a musician beside me and his trainings from early ages of my childhood was playing a key role in my artistic life. He was the first and the strongest inspiration in my life.

How and when did you discover your passion for composing?
When I was a child, I was able to perceive some Iranian musical phrases and imitate them. Definitely I was inspired by my father because he usually played violin from Iranian repertoires. I was very interested in orchestral music and I began to compose music based on simple poems and texts before Primary School. After graduating in the field of Electronic from Kerman University, I decided to learn the other musical skills with perseverance at Faculty of Fine Arts in University of Tehran.

What did fascinate you about it?
The effects of the Persian particular intervals and improvisation based on them.

What is interesting for you as a composer when it comes to contemporary music? How did you get to this kind of art?
In my belief, one of the most interesting elements in the contemporary music is “time”. This item has been a complex and sophisticated context in the music in all eras. The other item which is appealing to me is “aesthetics” and its developments in the course of time. The various attitudes in contemporary music, new approaches, and new musical techniques can show new and unique ways to achieve some new expressions.
I think, actually, developing in the field of this kind of art, depends on the various experiences.

Did you compose for other genres as well or have you had other contacts in music before? If yes, what are those?
Yes, I have had some compositions with Iranian orchestral music, movie music and composing based on Persian literature.

What was the reason for you to participate in TRAIECT? Did you know about the project before?
I have followed previous concerts and previous project via social media and the other information of some of my friends. I would like to participate in TRAIECT to get new experiences with the other musicians and composers and. It would be very worthwhile for me.

What is your personal interest in this project?
Having a new experience in composition using the techniques of Oud and electronic, getting to know the artistic taste of other composers and other cultures, and performing with great technical and musical facilities in an excellent concert hall.

What are you excited of in TRAIECT to discover?
I am excited to discover new attitudes and new structure in composition.

Did you take part in a project similar to this before? If yes, which one was it and how was the experience?
In 2016, I held a collaborative workshop in Royal Conservatoire of Antwerp based on "models of polyphony textures in Iranian music", I also performed one of my music in Bozar Festival in Belgium.
As a composer and conductor, I performed several projects with the Orchestra of Contemporary Music Researches Center in Fine Arts Faculty. (University of Tehran) and Department of music (Shiraz Azad University)

What instrument are you writing for?
Oud or Barbat.

What is contemporary music for you? How would you define it?
I think giving a definition for contemporary music is a troublesome issue for many musicians. Contemporary music definition is so comprehensive. The definition of this term depends on historical experiences in each culture and country. In contemporary music, I am sometimes influenced by variability of artistic forms, new musical textures, evolutions of some timbres of instruments (especially Iranian instruments), scientific and technological developments, literature and philosophy.

Which role does contemporary music have in the society in your opinion?
Contemporary music is often faced with many challenges which come from people and especial audiences and I really think, one of the responsibilities of the artist and composer is addressing these challenges.

What do you as a composer want to express, what do you want to achieve?
I really want to achieve a pure personal musical interpretation, more and more…

The project contains traditional Instruments and electronics. What is tradition for you? How would you define it?
Tradition is collection of information, customs, art and religious which is transferred orally from father to son or from ancestors to posterity.

The composers will create something completely new for this traditional instrument. Do you see a gap between tradition and the new way of writing scores for these instruments? If yes, which effect does it have?
In my opinion, as a composer, modern or traditional attitudes are only related to the approaches of the artists or composers. The gap between tradition and the new way can be changed based on the necessity of artistic tendencies of composer.

Is it possible to bridge those two spheres? If yes, how / if no or where do you think this is not possible?
Yes, before everything, I think we need to have enough dominance on traditional contents and forms and also having practical experiences on the contemporary arts. We can actually maintain some traditional musical elements and use them or their sections in the new structures, conceptions or contemporary approaches.

Which elements are going to be used? Which purpose do they have? What is the priority of the piece?
I have looked at the history of Oud in respect of timbres and technique’s evolutions, especially Barbat or Persian Oud, Arabic Oud and Turkish Oud. This piece is a story in the name of “in search of lost memory”. This story signals about tragic history of Oud in Iran after the wars (wars with Turks, Arabs, and Mongols) over the past thousand years that changed the destiny of Persian Oud. I have used Persian texts and I have made a series of combined voices, inspired by Turkish and Arabic phonemes, in several electronic tracks and also some phrases of a poem of Akhavan Sales (Mehdi Akhavan‐Sales was a prominent Iranian poet (1929‐1990)). In this piece, my priority is a negotiation between 2 concepts.
Using new Persian Oud timbers and improvisation based on Iranian modes and the other phonemes which have been extracted from Iranian literature and several musical cultures that they have presented through electronic signals and Oud player based on various functions of Oud in the world of music.

Did you write your piece for TRAIECT already?
Yes

Which elements of the instrument and the electronic were of your choice? What do you want to find out and express with them? Did you search for a specific sound and if yes which one?
I searched about techniques of Turkish Oud and Arabic phonemes and making a mixture of them in the electronic tracks.

What do you want to put in front with the piece? Do you pursue to present a specific sound or a message or whatever you want to explore and show?
Yes, I would like to present a specific mixed sound (Oud’s specific techniques and Vocals and electronic sounds)
An aural argument between the artistic modal improvisation, timbres of phonemes (player’s vocals and electronic sounds)

Are there any other compositions you or someone else made, that you want to connect to with your piece?
I am not sure.

Are there any other phenomenons of this world you process in your score?
Yes… probably.

Do you have an idea or a wish of what you want to use in your composition? If yes, what is it?
I would like to have an opportunity to perform my ideas based on the other functions of Persian music in the field of contemporary music such as: exploration on combinations of the timbers of the Iranian folk instruments inspired by different forms of improvisation and electronics parts.

Are there any sounds you want to discover?
Yes, absolutely.

What challenges do you see in the project you want to master?
I don’t know exactly yet.

Are there any other phenomenons of this world you want to process in your score?
A performance based on my piece. Performing and composing based on new attitudes on Iranian folk music. Such as: A performance based on composing on folk instruments and electronic sounds.

What else do you want to tell us about the project or your composition? Did we miss a question you wanted to answer but were not asked? Do you have any other comments?
I prefer to talk about my attitudes regarding to this experience after the project.
Thank you for your time and your interesting questions.

Montag, 22. Oktober 2018

Dilxat Dawut

Aus dem Nordwesten von China, genauer Ürümqi in der Provinz Xinjiang kommt Dilxat. Er sprach mit uns über seine Tradition und das Komponieren für TRAIECT II.

Zu Beginn des Interviews wird schnell klar, dass die iranische Tradition und Kultur mit derjenigen, in der Dixat aufgewachsen ist, sehr ähnlich ist. „Ich bin Uigure. Wir haben unsere eigene Sprache und Kultur. Außerdem gibt es bei uns die weit verbreitete Musikform, die 12 Makham genannt wird. Sie klingt sehr ähnlich der iranischen.“ Uiguren sind ein Turkvolk in Zentralasien.
Dilxat ist der Sohn eines Komponisten und einer Tänzerin, weshalb er schon früh im Leben viel Kontakt mit verschiedenen Künsten hatte. In der Oberschule entdeckte er seine Leidenschaft für das Komponieren. „Ich wollte die Ideen und Sounds, die ich im Kopf hatte in die Realität umsetzen. Ich wusste damals noch nicht viel über Musik, aber ich wollte meine eigene schreiben.“ Das führte ihn zu einem Bachelorstudium in Shanghai, wo er fünf Jahre lang studierte. Er ist jetzt Masterstudent an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Der Student erklärt uns, dass die Vermittlungsarten des Kompositionsunterrichts unterschiedlich sind: „In Shanghai bekommt man einen Auftrag, in dem steht was man zu komponieren hat. Hier in Hannover gilt das Prinzip: Folge Deinem Herzen. Irgendwie fühle ich mich darin noch wie ein Anfänger aber ich bin hoch motiviert.“ Im Bachelor hat er ausschließlich traditionelle und klassische Werke geschrieben. Später hörte er zeitgenössische Musik und verstand sie erst einmal nicht. Das wiederum war der Grund, warum sie für ihn so anziehend wirkte. Sein Lehrer gab ihm daraufhin mehr Material, das er sich anhörte. Für Dilxat war das wie eine Brücke, die die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpfte. „Wenn Du zu viel traditionelle Musik hörst möchtest Du etwas Neues finden. Etwas, das Du verbessern kannst. Das habe ich in der Neuen Musik gefunden.“
Dabei drängt sich die Frage auf, was Neue Musik für ihn denn ist. Zunächst: Es ist neu und zur selben Zeit ist es genau das nicht, antwortet er. Man kann eine Menge neue Klänge und Techniken finden. Es gibt keine Grenzen. Aber zur selben Zeit ist die Neue Musik eine Nachfahrin der Tradition. Ohne die Tradition gäbe es keine Neue Musik. Auf die Frage, was dementsprechend Tradition ist, meint er: „Es ist eine sehr natürliche Musik. Es sind die Muster, die Menschen aus sich selbst heraus formen. Daher ist die Geschichte der Tradition so alt wie die Menschheit. Es kommt von innen, es ist das, was die Menschen eben machten und machen.“ Wenn er über die Rolle der Neuen Musik in der Gesellschaft nachdenkt, erklärt Dilxat dass für ihn Komponisten wie Wissenschaftler sind, die etwas Neues finden wollen. Insbesondere in Deutschland hat das ein großes Publikum, während sich das Verständnis dafür in China erst noch entwickelt. Zeitgenössische Musik ist die Verbindung, die alle Menschen eint, weil sie keine Grenzen hat. Auch auf diese Weise ist es eine Brücke, was uns zu der Metapher zurückbringt: Die Brücke muss stabil sein, andernfalls herrscht Chaos. In TRAIECT ist der wichtigste Teil der Brücke die Verknüpfung zwischen dem Instrument und der Elektronik. „Das Aufregende ist, dass man neues Klangmaterial in einem alten Instrument findet. Das ist das eine. Außerdem kann man traditionelle Melodien transformieren. Für mich ist es darüber hinaus eine Freude, die Tradition in einem neuen Stück zu verstecken. Wie ich schon gesagt habe: Es ist Neue Musik, aber es ist nicht ausschließlich neue Musik.“
Er nimmt an TRAIECT teil, weil er etwas für das Tanbur schreiben wollte. Uiguren haben ein sehr ähnliches Instrument, das etwas größer ist und mehr Saiten hat. Insofern kennt er sich gut mit dem Tanbur aus. „Die Traditionen sind sehr ähnlich, das haben wir ja schon festgestellt. Ich musste daher einfach teilnehmen. Ich mag den Klang des Tanbur sehr gerne und wollte damit herumspielen, mit der Elektronik den Sound verbessern und verändern. Ich wollte sehen, was passiert und von diesem alten Instrument lernen.“ Und worüber wird das Stück gehen? Es gibt eine menge interessanter Klänge und Sound Effekte im Tanbur, die bereits entdeckt wurden. Gleichzeitig ist es faszinierend, wo neue Klänge produziert werden können: Direkt hinter der Brücke des Instruments ist ein Punkt, an dem es möglich ist mit Holz oder Metall zu experimentieren. Außerdem gibt es viel, was man mit den Saiten anstellen kann. Dilxat versucht das in eine Notenschrift zu bringen. Das Stück wird möglicherweise „Blossoming“ (Erblühen) genannt werden, denn es ist wie die Wiedergeburt einer Blume: Zuerst startet sie mit einem kleinen Samen, das erste Wachstum ist kaum spürbar. Aber wenn es fertig ist, erblüht die Blume, wenn auch nicht für lang. „Für mich ist das auch der Prozess, der die Vergangenheit mit der Zukunft verknüpft. Ich möchte das Erblühen auf eine uigurische Art zeigen. Ich weiß nicht was passieren wird, aber ich werde mein bestes geben.“ Im November werden wir dann sehen, wie sich dieses Erblühen anhört.




















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English Version

Stemming from the northwest of China, Ürümqi, located in the province of Xinjiang, Dilxat talks with us about his tradition and the writing for TRAIECT II.

At the beginning of the interview it becomes clear very quick that the Iranian tradition and the tradition of Dilxats people is quite similar. “I am an uyghur. We have our own language and culture. We also have a very big music form called 12 Makham, which is pretty similar to the traditional Iranian one.” Uyghurs are the descendants of a turkic people in central asia.
Dilxat is the son of a composer and a dancer, and because of that he had contact to arts early in his life. It was in high school when he discovered his own passion for writing music. “I wanted to make the ideas and sounds I had in my head into a real thing. I didn’t know much about music but I knew that I wanted to write my own.” This lead him to his bachelor studies in Shanghai where he studied for five years. Now he is in his master class at the Hanover University for Music, Drama and Media. He explains that the approaches to teach composition are very different: “In Shanghai, you get an assignment what to do and what to compose. In Hanover there is only the principle of follow your heart. Somehow I still feel like a rookie with this but I am highly motivated.” In his bachelor times he did only write traditional and classical works. At some point he started to listen to contemporary music and did not understand it. That was also the reason why it was so attractive for him. His teacher gave him more material to listen to. For Dilxat, this was like a bridge which connected the past with the future. “If you listen to much traditional music, you want to find something new, something you can improve. I did find this in New Music.”

So what is New Music for him? First of all: it is new and at the same time it is not. One can find a lot of new sounds and techniques there. There is no limit. But at the same time New Music is a descendant of tradition. Without tradition there would be no New Music, he says. We ask him, what tradition is: “It is a very natural music. Just what people came up with, it has a long history. It comes from the inside, it is what people do.” When he speaks about the role of New Music he explains that the composers are like scientists, they want to find something new. Especially in Germany this finds a big audience, while for example in China this needs more time to develop, he adds. Contemporary music is a connection that connects all the people because it does not have borders. So again, it is like a bridge and we come back to this metaphor: The bridge has to be very stable, otherwise there will be chaos. In TRAIECT, the most important part of the bridge is the link between the instrument and the electronics. “The exciting thing is that you can discover new sound material in a traditional instrument. That’s the one thing. The next step is to use the sounds with the electronics and to again create something new. Also you can transform traditional melodies. For me it is also delightful to hide tradition in the new piece. As I said: it is New Music, but it is not completely new music.”
He participates in TRAIECT because he wanted to write something for the tanbur. Uyghures have a very similar instrument, which is a little bit bigger and has more strings. The instrument is well known to him. “The traditions are very similar, I just had to participate. I like the sound of the tanbur and I wanted to play around with the electronics to improve and change the sound. I wanted to see what happens and learn from this old instrument.” So what will the composition be about? There are a lot of interesting sounds and sound effects that he already discovered in the tanbur. It is fascinating where new sounds can be produced: right behind the bridge of the instrument there is a spot where it is possible to work with wood or metal to get a new sound. Also a lot of things can be done with the strings. Dilxat is trying to fit this into a score. The piece will probably be called blossoming because it is like the rebirth of a flower: First it starts with a very tiny bit of seed, the first growing is hard to recognize. But once done, the flower blooms, even if it isn’t for long. “For me that is also a process that connects the past and the future. I want to try to present the “Blossoming” in Uyghurs way. I don’t know what will happen but I will try my best.” In November we are all gonna see how this blossoming will sound like.