Montag, 22. Oktober 2018

Dilxat Dawut

Aus dem Nordwesten von China, genauer Ürümqi in der Provinz Xinjiang kommt Dilxat. Er sprach mit uns über seine Tradition und das Komponieren für TRAIECT II.

Zu Beginn des Interviews wird schnell klar, dass die iranische Tradition und Kultur mit derjenigen, in der Dixat aufgewachsen ist, sehr ähnlich ist. „Ich bin Uigure. Wir haben unsere eigene Sprache und Kultur. Außerdem gibt es bei uns die weit verbreitete Musikform, die 12 Makham genannt wird. Sie klingt sehr ähnlich der iranischen.“ Uiguren sind ein Turkvolk in Zentralasien.
Dilxat ist der Sohn eines Komponisten und einer Tänzerin, weshalb er schon früh im Leben viel Kontakt mit verschiedenen Künsten hatte. In der Oberschule entdeckte er seine Leidenschaft für das Komponieren. „Ich wollte die Ideen und Sounds, die ich im Kopf hatte in die Realität umsetzen. Ich wusste damals noch nicht viel über Musik, aber ich wollte meine eigene schreiben.“ Das führte ihn zu einem Bachelorstudium in Shanghai, wo er fünf Jahre lang studierte. Er ist jetzt Masterstudent an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Der Student erklärt uns, dass die Vermittlungsarten des Kompositionsunterrichts unterschiedlich sind: „In Shanghai bekommt man einen Auftrag, in dem steht was man zu komponieren hat. Hier in Hannover gilt das Prinzip: Folge Deinem Herzen. Irgendwie fühle ich mich darin noch wie ein Anfänger aber ich bin hoch motiviert.“ Im Bachelor hat er ausschließlich traditionelle und klassische Werke geschrieben. Später hörte er zeitgenössische Musik und verstand sie erst einmal nicht. Das wiederum war der Grund, warum sie für ihn so anziehend wirkte. Sein Lehrer gab ihm daraufhin mehr Material, das er sich anhörte. Für Dilxat war das wie eine Brücke, die die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpfte. „Wenn Du zu viel traditionelle Musik hörst möchtest Du etwas Neues finden. Etwas, das Du verbessern kannst. Das habe ich in der Neuen Musik gefunden.“
Dabei drängt sich die Frage auf, was Neue Musik für ihn denn ist. Zunächst: Es ist neu und zur selben Zeit ist es genau das nicht, antwortet er. Man kann eine Menge neue Klänge und Techniken finden. Es gibt keine Grenzen. Aber zur selben Zeit ist die Neue Musik eine Nachfahrin der Tradition. Ohne die Tradition gäbe es keine Neue Musik. Auf die Frage, was dementsprechend Tradition ist, meint er: „Es ist eine sehr natürliche Musik. Es sind die Muster, die Menschen aus sich selbst heraus formen. Daher ist die Geschichte der Tradition so alt wie die Menschheit. Es kommt von innen, es ist das, was die Menschen eben machten und machen.“ Wenn er über die Rolle der Neuen Musik in der Gesellschaft nachdenkt, erklärt Dilxat dass für ihn Komponisten wie Wissenschaftler sind, die etwas Neues finden wollen. Insbesondere in Deutschland hat das ein großes Publikum, während sich das Verständnis dafür in China erst noch entwickelt. Zeitgenössische Musik ist die Verbindung, die alle Menschen eint, weil sie keine Grenzen hat. Auch auf diese Weise ist es eine Brücke, was uns zu der Metapher zurückbringt: Die Brücke muss stabil sein, andernfalls herrscht Chaos. In TRAIECT ist der wichtigste Teil der Brücke die Verknüpfung zwischen dem Instrument und der Elektronik. „Das Aufregende ist, dass man neues Klangmaterial in einem alten Instrument findet. Das ist das eine. Außerdem kann man traditionelle Melodien transformieren. Für mich ist es darüber hinaus eine Freude, die Tradition in einem neuen Stück zu verstecken. Wie ich schon gesagt habe: Es ist Neue Musik, aber es ist nicht ausschließlich neue Musik.“
Er nimmt an TRAIECT teil, weil er etwas für das Tanbur schreiben wollte. Uiguren haben ein sehr ähnliches Instrument, das etwas größer ist und mehr Saiten hat. Insofern kennt er sich gut mit dem Tanbur aus. „Die Traditionen sind sehr ähnlich, das haben wir ja schon festgestellt. Ich musste daher einfach teilnehmen. Ich mag den Klang des Tanbur sehr gerne und wollte damit herumspielen, mit der Elektronik den Sound verbessern und verändern. Ich wollte sehen, was passiert und von diesem alten Instrument lernen.“ Und worüber wird das Stück gehen? Es gibt eine menge interessanter Klänge und Sound Effekte im Tanbur, die bereits entdeckt wurden. Gleichzeitig ist es faszinierend, wo neue Klänge produziert werden können: Direkt hinter der Brücke des Instruments ist ein Punkt, an dem es möglich ist mit Holz oder Metall zu experimentieren. Außerdem gibt es viel, was man mit den Saiten anstellen kann. Dilxat versucht das in eine Notenschrift zu bringen. Das Stück wird möglicherweise „Blossoming“ (Erblühen) genannt werden, denn es ist wie die Wiedergeburt einer Blume: Zuerst startet sie mit einem kleinen Samen, das erste Wachstum ist kaum spürbar. Aber wenn es fertig ist, erblüht die Blume, wenn auch nicht für lang. „Für mich ist das auch der Prozess, der die Vergangenheit mit der Zukunft verknüpft. Ich möchte das Erblühen auf eine uigurische Art zeigen. Ich weiß nicht was passieren wird, aber ich werde mein bestes geben.“ Im November werden wir dann sehen, wie sich dieses Erblühen anhört.




















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English Version

Stemming from the northwest of China, Ürümqi, located in the province of Xinjiang, Dilxat talks with us about his tradition and the writing for TRAIECT II.

At the beginning of the interview it becomes clear very quick that the Iranian tradition and the tradition of Dilxats people is quite similar. “I am an uyghur. We have our own language and culture. We also have a very big music form called 12 Makham, which is pretty similar to the traditional Iranian one.” Uyghurs are the descendants of a turkic people in central asia.
Dilxat is the son of a composer and a dancer, and because of that he had contact to arts early in his life. It was in high school when he discovered his own passion for writing music. “I wanted to make the ideas and sounds I had in my head into a real thing. I didn’t know much about music but I knew that I wanted to write my own.” This lead him to his bachelor studies in Shanghai where he studied for five years. Now he is in his master class at the Hanover University for Music, Drama and Media. He explains that the approaches to teach composition are very different: “In Shanghai, you get an assignment what to do and what to compose. In Hanover there is only the principle of follow your heart. Somehow I still feel like a rookie with this but I am highly motivated.” In his bachelor times he did only write traditional and classical works. At some point he started to listen to contemporary music and did not understand it. That was also the reason why it was so attractive for him. His teacher gave him more material to listen to. For Dilxat, this was like a bridge which connected the past with the future. “If you listen to much traditional music, you want to find something new, something you can improve. I did find this in New Music.”

So what is New Music for him? First of all: it is new and at the same time it is not. One can find a lot of new sounds and techniques there. There is no limit. But at the same time New Music is a descendant of tradition. Without tradition there would be no New Music, he says. We ask him, what tradition is: “It is a very natural music. Just what people came up with, it has a long history. It comes from the inside, it is what people do.” When he speaks about the role of New Music he explains that the composers are like scientists, they want to find something new. Especially in Germany this finds a big audience, while for example in China this needs more time to develop, he adds. Contemporary music is a connection that connects all the people because it does not have borders. So again, it is like a bridge and we come back to this metaphor: The bridge has to be very stable, otherwise there will be chaos. In TRAIECT, the most important part of the bridge is the link between the instrument and the electronics. “The exciting thing is that you can discover new sound material in a traditional instrument. That’s the one thing. The next step is to use the sounds with the electronics and to again create something new. Also you can transform traditional melodies. For me it is also delightful to hide tradition in the new piece. As I said: it is New Music, but it is not completely new music.”
He participates in TRAIECT because he wanted to write something for the tanbur. Uyghures have a very similar instrument, which is a little bit bigger and has more strings. The instrument is well known to him. “The traditions are very similar, I just had to participate. I like the sound of the tanbur and I wanted to play around with the electronics to improve and change the sound. I wanted to see what happens and learn from this old instrument.” So what will the composition be about? There are a lot of interesting sounds and sound effects that he already discovered in the tanbur. It is fascinating where new sounds can be produced: right behind the bridge of the instrument there is a spot where it is possible to work with wood or metal to get a new sound. Also a lot of things can be done with the strings. Dilxat is trying to fit this into a score. The piece will probably be called blossoming because it is like the rebirth of a flower: First it starts with a very tiny bit of seed, the first growing is hard to recognize. But once done, the flower blooms, even if it isn’t for long. “For me that is also a process that connects the past and the future. I want to try to present the “Blossoming” in Uyghurs way. I don’t know what will happen but I will try my best.” In November we are all gonna see how this blossoming will sound like.

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