Örnólfur ist als Masterstudent in seinem zweiten Jahr an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Er schreibt ein Stück für Tanbur in TRAIECT II. Wir haben mit ihm über seine Ansichten und das Projekt gesprochen.
Er hat seinen Bachelor in seinem Heimatland Island studiert. “Ich bin etwas vorsichtig, wenn es um das Label ‚Komponist‘ geht. Im Moment bin ich ein Kompositionsstudent“, sagt er wenn er nach einer Definition seiner momentanen Tätigkeit gefragt wird. Im Allgemeinen mag Örnólfur es, an seinen Projekten und musikalischen Experimenten zu arbeiten. Schon früh im Alter von sieben Jahren begann er Cello zu spielen. Schnell zeigte sich, dass er die Stücke nicht mochte, die er spielen sollte. Sein Lehrer schlug ihm deshalb vor, seine eigenen zu schreiben. „Und genau das habe ich dann auch gemacht. Eines dieser Stücke habe ich in der Schule vorgespielt. Wenn ich jetzt zurückdenke, dann war es schon damals zeitgenössische Musik. Ungewohnte Techniken und Muster. Ich war mir damals nur nicht bewusst, dass es zeitgenössisch war.“ Im Anschluss lernte er Jazz-Gitarre. Jazz war eine Alternative, in dem Fall zur massentauglichen Popmusik. „Aber selbst im Jazz hatte ich dasselbe Problem. Die Musik blieb konservativ. Das hat mich genervt.“ Im Alter von 16 Jahren fuhr er damit fort, seine eigenen Stücke zu schreiben. Auch dort zeigte sich dasselbe Muster: Die Kompositionen der Romantik und der Klassik waren nicht zufriedenstellend. Deshalb suchte er nach etwas Anderem, was er im Repertoire des 20. Jahrhunderts und später fand. Mit 20 Jahren entschied sich Örnólfur, seine musikalische Leidenschaft zu studieren. „Es ist mir wichtig, neue Erfahrungen zu machen. Damit meine ich nicht, dass sie neu für die Welt sind, sie sollen einfach etwas anderes sein als das was man bis dahin schon gewohnt ist“, sagt er. Ist Komplexität ein wichtiger Faktor wenn es um diese Neuartigkeit geht? „Nicht unbedingt. Meine eigene Musik ist zum Beispiel sehr einfach. Das heißt aber nicht dass wenn es einfach ist auch entsprechend leicht zu schreiben ist. Das ist nicht der Punkt. Der Weg ist manchmal sehr schwierig und komplex, aber wenn man die Musik in einer Aufführung erlebt dann ist das ein eigener Prozess. Und plötzlich ist etwas das einfach oder leicht zu schreiben war eine sehr fordernde Hörerfahrung werden. Genauso ist es umgekehrt.“
Wie kommt Örnólfur zu TRAIECT? Er wurde gefragt, dafür zu schreiben. Dabei möchte er das Tanbur oder seine musikalische Tradition nicht meistern. Lieber eine Ahnung ergreifen, mit dem Eindruck arbeiten und sehen, welche Ergebnisse dabei herauskommen. „Das Tanbur ist ein sehr fragiles Instrument. Ich denke es ist schwierig, es mit Elektronik zu verändern. Außerdem, auf die Art und Weise wie ich die Tradition wahrnehme ist das ein sehr intimer Moment zwischen dem Spieler und dem Instrument. Ganz besonders wenn beide allein auf der Bühne sind. Wenn an dieser Stelle die Elektronik dazwischen kommt, dann kann es gefährlich werden.“ Örnólfur versucht dafür eine Lösung zu finden. Wie genau, das will er noch nicht verraten. Er hat bereits in anderen Projekten dieser Art mitgewirkt. „Es kann sehr fruchtbar sein, wenn die Instrumentalisten ihr Instrument vorstellen. Auf der einen Seite haben die Spieler viel Wissen über den Klangkörper, gleichzeitig wollen sie diesen immer weiter erforschen. Das ist die Basis auf der die Komponisten und den Instrumentalisten zusammen etwas neues entwickeln.“
Das führt uns zu der Frage, was Tradition und Neue Musik sind. Tradition ist etwas festgelegtes, das wie in einer Blase bewahrt wird. In Abgrenzung dazu ist zeitgenössische Musik offener und noch nicht festgelegt, geprägt von der Suche nach einer neuen, experimentellen Qualität. „Wenn sich beide Sachen vermischen wird die Tradition gebrochen. Das ist die Aufgabe der zeitgenössischen Musik“, sagt Örnólfur. „Neue Musik bringt neue Perspektiven und wirft ein anderes Licht auf bekannte Strukturen der Tradition. Gleichzeitig ist die Tradition wichtig, um in der Zeit zurück zu schauen und aus dem breiten Wissen zu lernen. Viele Experimente, die einst in der Neuen Musik gemacht wurden sind jetzt Teil der traditionellen Musik.“
„Das Problem beginnt, wenn zu einer bestimmten Zeit die Perfektion verkündet wird. Dann ist eine weitere Entwicklung gestoppt. Aber es ist nur wie ein Foto, ein geschützter Moment.“ Wobei es so etwas wie Perfektion nicht gibt, sagt er: „Wir haben möglicherweise den Eindruck, dass die Zeit in bestimmten Momenten still steht, aber generell geht sie doch weiter. Manchmal bekommen wir eine Ahnung davon, wie die Perfektion aussieht. Aber im Endeffekt wird sie nicht erreicht und es ist uns auch in diesem Moment bewusst, dass das nicht der Fall sein kann. Deshalb ist auch die Tradition in einem ständigen Wandel.“ Gibt es Möglichkeiten, die Gegensätze zu überbrücken? In seinem Stück sucht er nach abstrakten Konzepten, weit weg von den beiden Konstrukten. Das Spiel mit verschiedenen Stimmungen des Instruments, Proportionen und Stimmungslagen. Und wird das auf der Bühne zum ersten mal versucht? „Für mich muss das Experiment nicht auf der Bühne passieren. Die Erkenntnisse, die ich finde werden über die Noten transportiert.“ Wir bleiben gespannt, an was Örnólfur genau gedacht und was er konkret gefunden hat.
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English Version:
Örnólfur is a masters programme student in his second year at the Hanover University for Music, Drama and Media. He writes a piece for tanbur in TRAIECT II. We did talk to him about his thoughts and the project.
He studied his bachelor in his home country. “I am a bit careful when it comes to the label composer. At the moment I am a composition student”, he says if he is asked to settle for a definition. In general Örnólfur likes to work at his projects and musical experiments. Starting early with the age of seven, he learned to play cello. It was apparent pretty soon that he did not like the pieces that much that he had to play. His teacher suggested him to write his own pieces. “And so I did. One of these works I played at school. When I think about it now, it was contemporary music even back then. Uncommon techniques and patterns. I just wasn’t aware at the time that it was contemporary.” After that he succeeded to play Jazz-‐guitar. Jazz also was an alternative, in this case to the mainstream Pop music. “But even in Jazz I was stuck with the same problem. The music stayed conservative. This bothered me.” In the age of 16 he continued to write his own pieces again. But again, the same pattern showed up: the compositions of the Romantic and the classicism weren’t to his satisfaction. He then started searching for something different, which he found in the repertoire of the 20th century and up until today. With 20 years Örnólfur decided for a study in his passion. “It is important to me to get new experiences, not in the sense that they have to be new to the world but something different than you are used to”, he says. Does complexity play an important factor when it comes to this? “Not necessarily. My own music for example is sometimes very simple, but it does not always mean that if its simple then it has to be easy. This is not the point though. The way is very difficult and complex from time to time when composing, but experiencing the music in a performance is a process of its own and suddenly something that was simple or easy to make can be an extremely difficult listening experience, and vice versa.”
How did he join TRAIECT? Örnólfur was asked to compose for it. He does not want to master the tanbur or its musical tradition. Rather just catch a glimpse of it, work with his impressions and see what results from that. “The tanbur is pretty fragile on its own. I personally think it is difficult to manipulate it with the electronics. Also, as I perceive the tradition, it is a very intimate moment between the player and the instrument, especially if they are alone together on the stage. When at this point the electronics start to interfere, it may get dangerous.” Örnólfur tries to find a solution for that. How exactly, he does not want to reveal yet. He has taken part in other projects in the past, in which instrumentalists present their instruments. "It can be very fruitful because on one hand the players have a lot of knowledge about their instrument, and the other they are always eager to explore it even further. This is a basis for the composer and instrumentalist to collaborate on developing something new together."
It leads us to the question what tradition and contemporary art are per definition. Tradition, he says, is something fixed, which is preserved like inside a bubble. In contrast to that, contemporary art is something more open and not yet defined, coined by a search for the new, for an experimental quality. "When both things merge, the tradition gets broken. This is the task of contemporary music", Örnólfur says. "New Music brings new perspectives and shines another light on known patterns of tradition. At the same time tradition is important to look back into history and learn from its vast knowledge. Many experiments that were once made in New Music have become a part of the traditional music."
"The problem occurs when at a certain time perfection has been announced, which stops a further development. But it is only like a photo, a moment preserved.” There is no such thing as perfection, he says: “We may have the impression that time stands still in certain moments but in general it continues. Sometimes we get a little glimpse of a perfection, a very short view on what it may look like. But in the end, it is not being achieved and this is apparent in the moment of the short glimpse. Which is why tradition is still part of a process." Are there possibilities to bridge the spheres? In his piece he searches for abstract concepts, far away from the two opposites. There are for example techniques at a higher level to deal with an instrument. The play with different tunings, proportions and moods. Is this going to be premiered on the stage? “For me the experiment does not have to take place on the stage. The things that I may find will be transported via the score.” We stay exited what Örnólfur did thought of and found.
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